Zukunftstag

Artikel aus dem Gießener Anzeiger

An der Herderschule in Gießen informierten sich die Abiturienten über Themen wie Steuern, Miete oder Krankenversicherung.

Gießen (paz). Es gibt auch ein Leben nach der Schule - darauf möchte der »Zukunftstag« an der Herderschule seine Abiturienten in spe vorbereiten. Rund 100 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 13 konnten sich diese Woche über so wichtige Themen wie Steuern, Finanzen, Miete und Krankenversicherungen ausführlich informieren lassen. Nicht selten können Schulabgänger alle afrikanischen Länder benennen oder Shakespeare in vier Sprachen lesen, an alltäglichen Kenntnissen mangelt es hingegen. Hier will der »Zukunftstag« Abhilfe schaffen. Vor drei Jahren wurde die Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung gegründet und von Anfang an nimmt die Herderschule daran teil.

»Das Programm ist ein Alleinstellungsmerkmal für die Herderschule im mittelhessischen Raum«, freut sich Franz-Andreas Loos, Berufsorientierungs-Koordinator der Schule. »Ziel ist es, unsere Schülerinnen und Schüler auf das Leben vorzubereiten und ihnen Erfahrungen zu vermitteln, die in ihrem nachschulischen Leben hilfreich sein können.«

Die Schüler nahmen in Gruppen an den vier Workshops teil, die von Experten aus der entsprechenden Branche geleitet wurden. »Wisst Ihr, was Inflation ist?«, fragte beispielsweise Vanessa Schmidt, die mit ihrem Kollegen von der Volksbank Mittelhessen, Dominik Baier, über das Thema »Finanzen« referierte. Auch in welchen unterschiedlichen Bereichen - von Edelmetallen bis hin zu Staatsanleihen - man Geld anlegen kann, wurde thematisiert. Besonders zufrieden waren die beiden Referenten mit den Schülern des PoWi-Leistungskurses, die sich bereits sehr gut auskannten und für die Leitzins oder Zinseszinseffekt keine Fremdworte waren.

Über alles rund um die erste eigene Wohnung informierten Christian Borchers (Gonder Immobilien GmbH), über Steuern referierte Michael Sohl (abakus Steuerberatungsgesellschaft GmbH) und Kenntnisse rund um das Thema Krankenversicherungen vermittelte Michael Schneider (IKK Süd). »Die Referenten dürfen nicht für ihre eigenen Unternehmen oder Institutionen werben«, machte Loos deutlich. Sowohl die Experten als auch die Schüler waren am Ende des Tages sehr zufrieden. »Die Referenten waren sehr lieb. Man konnte immer Fragen stellen und bekam alles ausführlich erklärt. Am interessantesten fand ich die Themen Wohnen und Finanzen«, erzählte Antonia Schäffler.

»Vor allem der Workshop Wohnen war sehr gut aufgebaut«, meinte hingegen Milena Bänkendorf. »Wir haben gute Tipps erhalten, wie man sich um eine Wohnung bewirbt. Alle Themen waren hilfreich für das spätere Leben.« Und auch Lea Sophie Hackstein zog ein positives Fazit: »Ich finde es prima, dass unsere Schule so etwas anbietet. Es hat mich wirklich überrascht, wie viele individuelle Angebote Krankenversicherungen ihren Kunden machen.«

»Ich dachte erst, dass es sich bei den Workshops um kleine Crashkurse handelt. Dem war aber nicht so. Wir wurden überall umfangreich informiert«, sagte Christian Hez. »Ich habe viel über Krankenversicherungen und Steuern gelernt, was ich zuvor nicht wusste. Die Veranstaltung war meines Erachtens ganz wichtig für den Übergang von der Schule in Ausbildung oder Studium.«

Zum Hintergrund: Als sich eine Kölner Schülerin 2015 in einem Tweet darüber beschwerte, sie könne eine Gedichtsanalyse in vier Sprachen schreiben, habe aber keine Ahnung von Miete, Steuern und Versicherungen, löste dies eine Debatte über die wirtschaftliche Bildung an deutschen Schulen aus. Auch die Freunde Juri Galkin und Lorenzo Wienecke konnten sich damit identifizieren. Entsprechend ihrem Motto »Machen statt meckern« gründeten sie die Initiative für wirtschaftliche Jugendbildung und veranstalten seit 2019 deutschlandweit Projekttage an Schulen, die diese Lücke im Lehrplan füllen sollen.

Die Bundesagentur für Arbeit informiert und berät zu allen Fragen rund um die Themen Berufsausbildung und Studium an dieser Schule. Weitere Informationen dazu im Portal der Bundesagentur für Arbeit.

Mutmacher-Seminar an der Herderschule in Gießen

Elftklässler bekommen Leitfaden zur Berufsorientierung von Unternehmensgründer Pascal Keller an die Hand

Juni 2022

»Wenn du nicht weißt, was du kannst, ist es verdammt schwer, herauszufinden, was du willst«, betonte Pascal Keller. Gemeinsam mit seinem Team war der Gründer und Geschäftsführer von Mein mutiger Weg in der Herderschule zu Gast. In einem viereinhalbstündigen »Mutmacher-Seminar« unterstützte er die Schüler(innen) der Jahrgangsstufe elf dabei, ihre Stärken, Talente und Träume zu entdecken, um einen Beruf zu finden, in dem sie ihr Potenzial voll ausschöpfen können.

»Wir glauben daran, dass jeder junge Mensch Außergewöhnliches leisten kann, sobald er weiß, wozu er fähig ist«, erklärte Keller, der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Frederic das Unternehmen gegründet hat, das mittlerweile zu einem der am schnellsten wachsenden Start-Ups für moderne Berufsorientierung in Deutschland zählt. Die beiden möchten jungen Menschen einen effektiven Leitfaden an die Hand geben, um in einem Meer von Möglichkeiten - in Deutschland gibt es mehr als 21 000 Studiengänge und rund 320 duale Ausbildungsberufe - den Überblick zu behalten.

Pascal und Frederic lernten in ihrer eigenen Schulzeit selbst die Ängste und Unsicherheiten kennen, die eine Zukunftsentscheidung mit sich bringt. Die Angst, sich falsch zu entscheiden, plagte die Zwillinge genauso wie heute Tausende von anderen Schüler(innen). So entstand die Idee, junge Menschen dazu zu ermutigen, ihren eigenen (Berufs-)weg zu gehen und nicht planlos in eine Richtung zu laufen, die alle wählen.

Franz-Andreas Loos, an der Herderschule für Berufs- und Studienorientierung verantwortlich, wurde auf das Projekt aufmerksam und lud die »Mutmacher« als eine der ersten Schulen in Mittelhessen ein. Eine gute Entscheidung, wie sich schnell herausstellte. Die Elftklässler waren konzentriert bei der Sache, egal ob es nun um einen partnerschaftlichen Austausch, Reflexion, eigenes Erarbeiten oder Aktivierungsübungen ging.

»Spaß und Motivation kommen von allein, wenn wir etwas können«, wusste Pascal Keller aus eigener Erfahrung zu berichten. Aus diesem Grund sei es wichtig, einen Beruf zu finden, in dem man die eigenen Stärken so oft wie möglich einsetzen kann. Die Schüler(innen) wurden nicht nur dazu aufgerufen, ihre eigenen Stärken zu herauszufinden, sondern auch die ihrer Mitschüler.

Hier kam es zum Teil zu erstaunlichen Ergebnissen: Nicht wenigen der Teilnehmer(innen) wurden Stärken bescheinigt, derer sie sich bisher nicht bewusst waren.

Damit die Mädchen und Jungen nicht zu lange überlegen mussten, erhielten sie vom »Mutmacher-Team« eine »Stärken-Liste«, welche die unterschiedlichsten Talente, von Kreativität über hohe Belastbarkeit bis hin zu logischem Denken und Einfühlungsvermögen, enthielt. Fazit aller Beteiligten: »Wir sehen uns oft viel kritischer, als andere es tun.«

»Echte Begeisterung lässt dich selbst durch die größten Ängste gehen«, führte Keller weiter aus. Die einzige Möglichkeit, ihr zu begegnen, sei, sich ihr mit Mut zu stellen. »Alle Menschen, zu denen du heute aufschaust, hatten Angst, als sie anfingen, ihren eigenen Weg zu gehen«, unterstrich der 29-jährige Master of Arts und zertifizierter IHK-Ausbilder. »Ein mutiger Mensch ist nicht ein Mensch, der keine Angst hat, sondern ein Mensch, der trotzt Angst handelt.«

Er riet seinen Zuhörer(innen) abschließend, nicht aufzugeben und weiter an den eigenen Träumen zu arbeiten, sich weiterzuentwickeln und mutig zu handeln. Begleitet wurde das »Mutmacher-Seminar« von Online-Workshops.

Finanziert wird das Projekt des zertifizierten Bildungsträgers, das bereits in zwölf Bundesländern stattfand, von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung des Bundesfamilienministeriums und des Programms Auf!leben. In der Herderschule soll das »Mutmacher-Seminar« in Zukunft fester Bestandteil der Berufsorientierung werden. »Berufsorientierung ist auch an Gymnasien stärker in den Fokus gerückt«, betont Christa Schmuck von der Agentur für Arbeit, die ebenfalls an dem Seminar teilgenommen hat.

Einmal pro Jahr lädt die Herderschule darüber hinaus Schüler und Eltern zum »Herder-Forum« ein, bei dem unter anderem Vertreter der Agentur für Arbeit, der THM und der Universität Rede und Antwort stehen. In Planung ist das Projekt »Eltern-Berufebotschafter«, bei dem Eltern von Herderschülern ihre eigenen Berufe vorstellen können. Die Leistungskurse des Gymnasiums besuchen zu ihren Fächer passende Fachbereiche in der JLU. Ein weiterer wichtiger fester Bestandteil des jährlichen Schulprogramms ist die Veranstaltung »Keine Ahnung von Mieten, Steuern und Versicherungen«.

Mein mutiger Weg Juni 2022

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