Schulseelsorge an der Herderschule

Ist Gott für uns,  wer mag gegen uns sein? Für viele Jugendliche ist Schule zu einem zentralen Lebensort geworden. Schule hat sich zeitlich ausgedehnt und ist schon längst nicht mehr nur ein reiner Lernort.  Hier bildet sich sehr ausgeprägt das Sozialverhalten.  Die Jugendlichen finden hier ihre Freunde/innen.  Probleme in den Familien, Leistungsdruck, Wettbewerb, Lernstress und alle dazu gehörenden Such- und Fluchtbewegungen können beim Betreten des Schulgeländes nicht einfach fallengelassen werden.

Wie Schulseelsorge an der Herderschule sich selbst verstehen möchte 

Schulseelsorge findet als eine Begleitung im Alltag statt, an den Spannungen des Lebens und seinen Grenzen - im Sinne Dietrich Bonhoeffers als „Da-sein-für-andere“. Dieses „Da-sein“ geschieht vor Gott als Beistehen in Krisen und Nöten, im Geben von Zeit und Raum für Begegnung und Gespräch, das seinen besonderen Schutz durch das Seelsorgegeheimnis erhält. Sie ist lebendiger Teil der Schulgemeinde, ohne gänzlich in ihr aufzugehen. Hier können Erfahrungen am „Anderen“ gemacht werden. 

Schulseelsorge ist offen für alle Menschen im Lebensraum Schule - unabhängig von Nationalität, Religions- und Konfessionszugehörigkeit. So ist sie auch ein Beitrag für die Atmosphäre und Lebenskultur an unserer Schule. 

Qualifizierte seelsorgerliche Begleitung und Beratung

Wesentliches Element der Schulseelsorge ist die qualifizierte seelsorgerliche Begleitung und Beratung aller an der Schulgemeinde teilhabenden Personen. Da Schule ein öffentlicher Raum ist, bedarf es geschützter „Räume/Gelegenheiten“ in denen Schulseelsorge stattfinden kann. In der Mitte der Schulseelsorgearbeit stehen die Schülerinnen und Schüler, aber auch die anderen, die in der Schule tätig sind: 

Das Kollegium, das nicht unterrichtende Personal (Hausmeister, Sekretärinnen) und die Eltern der Schule. Für die Schulseelsorge ist die individuelle, religiös-ethische Lebensbegleitung aus christlicher Perspektive das zentrale Anliegen – auf der Suche nach Ressourcen (persönliche, soziale, familiäre, spirituelle) zur Lösung und Bewältigung von Problemen als Beitrag zu einer Mut machenden Lebensgestaltung. 

Die Schulseelsorge ist eine erste „Anlaufstelle“ für die Sorgen und Nöte in der Schule. Ein Angebot, bei dem der Mensch in seiner Ganzheit ernst genommen und nicht auf eine bestimmte Problematik (Noten, Sucht, Klassenkonflikte, Personalinteressen, Arbeitskonflikt usw.) festgelegt wird.  Im tagtäglichen Kontakt zu den Menschen in der Schule achtet die Schulseelsorge auf Hilfesignale und darauf, was wirklich gebraucht wird. Darüber hinaus werden Klienten der Schulseelsorge durch andere Schüler oder Lehrkräfte „vermittelt“. Immer wieder kommen Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer aber auch von selbst auf die Schulseelsorge zu. Darüber hinaus fragt die Schulseelsorge bei Schülern und Lehrern gezielt nach. 

In diesem Zusammenhang baut Schulseelsorge Beziehungen und Vertrauen auf, hält Kontakt und Optionen offen, erschließt und entwickelt Ressourcen und bietet Gesprächsanlässe.  Dazu braucht die Schulseelsorge einen Raum für vertrauliche seelsorgliche Gespräche und orientiert sich am Gedanken der Menschlichkeit und an der Entwicklung des Menschseins. 

In Gesprächen öffnet die Schulseelsorge Räume, in denen Identität und Ich-Stärke ausgebildet werden können. Dabei kann das ganze System, in dem ein Mensch lebt, mit einbezogen werden. Schulseelsorge ist so individuelle Begleitung im Alltag, in Notlagen und Sorgen, Dasein an Grenzen und Verletzungen des Lebens. 

Die Gespräche sind freiwillig, ziel- und handlungsorientiert und finden auf Augenhöhe statt. Gerade in den Grenzmomenten des Lebens wie dem schulischen Scheitern, bei Trauer oder Tod kann beispielhaft auf die Kraft des Glaubens, der Spiritualität verwiesen werden. Die Schulseelsorge wird damit auch zu einem Garant der Menschlichkeit und sie wirkt gegen die religiöse Sprachlosigkeit. Schulseelsorge hat damit nicht nur eine individuelle, sondern auch eine eminent gesellschaftspolitische Dimension. Die Schulseelsorge ist ein gutes Stück Kirche in der Schule. 

Mitgestaltung des Lebensraums Schule

Das Leben der Schülerinnen und Schüler in und mit der Schule ist einem strengen Zeittakt unterworfen. Bestimmte Erfahrungen können aber nur jenseits des Alltags, jenseits der 45 oder 90 Minuten, jenseits der Notengebung gemacht werden. Schülerinnen und Schüler suchen nach authentischen Formen geistlichen Lebens. Dies geschieht im Religionsunterricht und darüber hinaus. So können über das Jahr verteilt immer wieder Aktionen stattfinden, die - wiederkehrend oder einmalig - Dimensionen des Lebens ansprechen, die in der Schule nicht im Vordergrund stehen: Ruhe, Blick ins Innere, Mut fassen, Auftanken, symbolische Lebensdeutung.

Angebote wie Andachten (z.B. beim Weihnachtskonzert), der „Raum der Stille“ beim Weihnachtsbasar, die Gottesdienste zum Abitur und zur Einschulung der neuen Fünftklässler, der in Planung befindliche „Anders-Raum“ bieten die Möglichkeit deutlich zu machen, dass unser Leben in der Liebe Gottes verwurzelt und ein Geschenk ist, das wir annehmen und gestalten dürfen. So ist Schulseelsorge ein Beitrag für die Atmosphäre und Lebenskultur an unserer Schule, weil das, was ist, nicht alles ist, sondern das Leben und die eigene Person in einem anderen, weiteren Horizont gesehen werden. Wo nicht Strukturen und Zwecke, denen der Mensch genügen soll, das Sagen haben. 

Vernetzung mit dem innerschulischen und kirchlichen/sozialen Umfeld

Die Schulseelsorge ist Teil der Schule als System, eingebunden im „sozialen Netz“ der Schule, vernetzt mit anderen Aktivitäten und Beratungsangeboten wie der pädagogischen Leitung und dem Krisenteam der Herderschule im Sinne des „multiprofessionellen Teams“. Wenn der Notfall eintritt (Schülerunfälle, Tod, Suizid, Amoklauf usw.) sind Gespräche mit den Klassen, Seelsorge mit den Betroffenen, rituelle Nachsorge (Trauergottesdienste) und längerfristige Begleitung notwendig.  Auch bei der Begleitung von Übergängen möchte die Schulseelsorge religiöse Angebote für die Schulgemeinde bieten. 

Die Schulseelsorge kooperiert mit kirchlichen und nicht-kirchlichen Einrichtungen außerhalb der Schule. Dabei verfügt die Schulseelsorge über ein breites Handlungsrepertoire, das sie professionell einsetzt. In der Kooperation mit den anderen Beratungsangeboten der Schule eröffnen sich für die Schulseelsorge weitere Möglichkeiten: 

Schülerinnen und Schüler suchen sich die beratende Lehrerin, den beratenden Lehrer nicht nach dessen „Beratungskompetenz“ aus. Sie suchen eine Person ihres Vertrauens auf. 

Ziel einer Vernetzung der Beratungsarbeit ist es, Verweisstrukturen zu schaffen, die es erleichtern, Hilfe suchende Schülerinnen und Schüler an Personen mit höherer Kompetenz in bestimmten Bereichen weiter zu vermitteln. So können Schüler/innen einerseits angemessen an Einrichtungen mit höherer Kompetenz vermittelt werden, andererseits finden sie schneller den Weg zur Schulseelsorge, besonders wenn zeitnahe Hilfe eine große Rolle spielt.

Schulseelsorger Matthias Henkel