Gegen das Vergessen

Angeregt und unterstützt durch Herrn Klaus Pradella und die Heuchelheimer Kulturinitiative „K[l]eine Kunst“ sowie die Evangelische Martinsgemeinde Heuchelheim nahmen der Q1-Leistungskurs Geschichte von Frau Wallner sowie der Q3-Grundkurs von Herrn Dietrich im letzten Herbst an dem Projekt „Spurensuche: Gegen das Vergessen“ teil, welches sich mit individuellen Schicksalen von Opfern der NS-Ideologie in Gießen und Heuchelheim beschäftigt.

Für das Projekt geplant sind Exkursionen zu Gedenkstätten und Museen, Zeitzeugengespräche sowie Kontakt und Erfahrungsaustausch mit jungen jüdischen Menschen in unserer heutigen Gesellschaft geplant.

Von den Projektbausteinen konnte bisher ein Projekttag zur Ausgrenzung und Ermordung von Psychiatriepatientinnen und Patienten sowie zu den individuellen Schicksalen jüdischer Familien in Heuchelheim, die sich hinter den Stolpersteinen verbergen, durchgeführt wurden. Außerdem wurde im Rahmen des Projekts „Meet a Jew“ ein Treffen und Austausch zum aktuellen jüdischen Leben mit in Deutschland lebenden jüdischen Menschen ermöglicht.

(DIE)

Psychiatrie stellt sich ihrer Geschichte

Am 27. September 2023 haben sich die beiden Kurse in der Vitos Klinik für Psychiatrie in der Licher Straße getroffen, um dort die Ausstellung des Psychiatriemuseums zu besuchen. In dieser geht es u.a. um die Geschichte der Pflegeanstalt von 1911 bis 1945, also von der Gründung bis zu der heutigen Form der Psychiatrie. Sofort ist klar geworden, dass dieses Gebäude mehr Geschichte erlebt hat, als man vielleicht auf den ersten Blick glauben mag, was bei uns für Erstaunen sorgte. Es geht bei der Ausstellung um Themen wie die Einrichtung von Reservelazaretts im Ersten Weltkrieg, Reformversuche während der Weimarer Republik und um die Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung kranker Menschen während des Nationalsozialismus. Wir wurden von einem sehr sympathischen Führungsleiter in die Forensik der Psychiatrie geführt und er hat uns dabei sehr viel über den Sektionsraum und das Thema Euthanasie erzählt. Der Begriff Euthanasie beschreibt eigentlich euphemistisch das angeblich "schonende Töten" auf Wunsch eines Menschen, kurz gesagt die Sterbehilfe. In der Zeit des Nationalsozialismus steht der Begriff für das von Pflege- und Heileinrichtungen unterstützte und durchgeführte massenhafte Ermorden von psychisch erkrankten Menschen.

Zugänglich im Rahmen der Führung war der Sektionsraum, welcher als Raum beschrieben wurde, in welchem Menschenexperimente durchgeführt wurden und dies war definitiv der bewegendste und erstaunlichste Teil der Führung und sorgte für „Kopfkino“. Viele sagten ebenfalls, dass dieser Ausflug nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen sei und sie im Nachhinein noch viel darüber nachgedacht hätten. Außerdem hat man gemerkt, dass der Führungsleiter bestens informiert war und sein ganzes Herz in die Führung hineingesteckt hatte. Zuletzt haben wir noch etwas über die jetzige Situation in der forensischen Psychiatrie erfahren und der Leiter erläuterte während der Begehung des Geländes anschaulich Straftaten und Ausbruchsversuche. Beispielsweise erzählte er uns auch davon, dass die Patienten Punkte sammeln können, um mehr Freiheiten zu haben.

Für Interessierte: Die Ausstellung kann man jeden ersten Samstag des Monats in der Vitos Klinik in der Licher Straße in Gießen besuchen.

Auf den Spuren der Stolpersteine

Kurz nach unserem Besuch in der Psychiatrie sind wir zusammen nach Heuchelheim gefahren, um an einem von der Martinsgemeinde durchgeführten Geocaching teilzunehmen. Wir wurden von dem Cache an fünf verschiedenen Stolpersteinen und zu einer Gedenktafel geführt. Sie wurden von dem Künstler Gunter Demnig hergestellt und sollen die Passanten an die Opfer des Holocausts erinnern. Die Steine wurden vor dem letzten frei gewählten Wohnort im Straßenpflaster verlegt und erzählen die Geschichte des jeweiligen Menschen. Dies war unfassbar interessant, da man sehr viel über die damaligen Opfer und die Zeit des Nationalsozialismus an sich erfahren hat und man automatisch mehr darüber anfängt nachzudenken, wenn man einen Stolperstein in der Straße entdeckt. Ebenfalls gab es noch Material für Interessierte, wenn man noch tiefer in die Geschichte eintauchen möchten und so merkte man, dass sich sehr viel Mühe gegeben wurde. Uns wurde außerdem vom Gruppenleiter berichtet, dass er im engen Kontakt zu einigen Nachkommen der Holocaust-Opfer steht und dies hat das Ganze noch um einiges authentischer und realer wirken lassen.

"Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind
verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird." (Richard von Weizsäcker)

(Mariebel Ferreira Vera)