»Lernen mit Kopf, Herz und Hand« an der Herderschule in Gießen

Artikel von Ruth Korte aus dem Gießener Anzeiger

Schüler der Herderschule in Gießen gestalten Schuhkartons mit Szenen aus dem 23. Psalm.

Gießen (rk). »Gott ist ein Beschützer. Er ist ein Wegweiser. Er ist wie ein Vater. Mir wird nichts fehlen«. Haben Sie es erkannt? Es sind die ersten Verse des 23. Psalms, auch »Hirtenpsalm« oder »Psalm vom guten Hirten« genannt. Er gehört zu den bekanntesten Bibeltexten der Welt. Cornelia Stoy, Lehrerin an der Herderschule, hat versucht, ihn ihrem 5er-Religionskurs auf besondere Art und Weise näherzubringen.

»Als wir ihn zum ersten Mal gelesen haben, war das schon verwirrend«, erinnert sich Pauline (11). »Es waren so viele alte Wörter und Redewendungen darin, die wir nicht gleich verstanden haben.« Aue, erquicken, Barmherzigkeit sind ein paar dieser Wörter, über die Stoy mit ihren Schülern ins Gespräch gekommen ist. Was bedeuten sie? Und wie könnte man sie ins Heute übersetzen?

»Wir haben den Text dann in unsere Alltagssprache übersetzt«, erzählt Max. Er zückt sein Arbeitsheft und liest weiter: »Mir geht es gut. Er bringt mich dorthin, wo ich alles habe, was ich zum Leben brauche. Er gibt Leben. Er hilft uns.«

Es sind unterschiedliche Sätze, an denen die Kinder aus dem Religionskurs hängen geblieben sind. »Du salbst mein Haupt mit Öl« ist so ein Satz, der zum Beispiel Leo angesprochen hat. »Weil da sieht man, dass alle Menschen für Gott gleich wert und gleich wichtig sind«, sagt er. Seine Sitznachbarin Mara hingehen fühlte sich von dem Vers »Ich werde bleiben im Haus des Herrn immerdar« besonders inspiriert. »Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie es in dem Haus wohl ist, wie es da aussieht und ob ich dort Gott sehen kann. Ich habe mir gedacht, es wäre wie in einem Paradies. Ich wäre gern dort«, so die Elfjährige. Auch ihre Klassenkameradin Isabell fühlte sich davon angesprochen: »Ich finde es schön, weil es bedeutet für mich, dass Gott für jeden einen Platz hat.«

Zu den einzelnen Versen haben die Schüler Schuhkartons gestaltet, bei denen ganz unterschiedliche Materialien zum Einsatz kamen: Blätter, Knete, Playmobil, Gips, Steine, Moos, Zweige, Glitzer. Manches haben sie wortwörtlich gestaltet, etwa den Hirten mit Watteschäfchen. Man blickt auch in einige dunkel gestaltete und bedrohlich wirkende Schuhkartons, das »finstere Tal«. »Weil man öfter in doofen Situationen ist, zum Beispiel Streit. Aber man hat immer das Gefühl, dass jemand bei einem ist«, so ein weiterer Schüler.

Das Gefühl, von Gott begleitet und geborgen zu sein, hat Mathilda mit zwei Händen aus Gips dargestellt, die ein Herz umfassen. Für sie bedeutet es, »dass Gott das Herz von einem erhellen kann«.

Besonders eindrücklich hat Julian den Passus »Er führet mich auf rechter Straße« umgesetzt: In seinem Karton ist eine Straße zu sehen. Auf der linken Seite ist ein Unfall passiert, die rechte Spur ist frei. »Die Schüler waren unheimlich kreativ bei der gestalterischen Umsetzung des Psalms«, lobt Stoy ihren Religionskurs. Ihr war es wichtig, dass sie diesen Vers bildlich erfassen. »Ganz nach Pestalozzis Motto: Lernen mit Kopf, Herz und Hand.« Es sei ein Text, der den Menschen ein Leben lang begleiten kann. »Ich möchte in meinem Unterricht Lösungen anbieten in einer Zeit, in der viel los ist.«

https://www.giessener-anzeiger.de/stadt-giessen/lernen-mit-kopf-herz-und-hand-an-der-herderschule-in-giessen-92915387.html

Bild: Mathilda (10), Julian (11), Mara (11) und Isabel (10) (von links) präsentieren stolz ihre Schuhkartons, die sie im Religionsunterricht von Cornelia Stoy (hinten) gestaltet haben und die in der Schulbibliothek ausgestellt sind. Foto: Ruth Korte © Ruth Korte